ANDREAS HEISE
Beim heutigen Kunstzmittag setzte sich ein Dreiergespann an den Tisch. Was dann geschah, sei hier der Reihe nach erzählt, ganz grausam gekürzt. Denn die Geister, die achtungsvoll sich rieben, sprühten regelrecht Funken.
Andreas wagte sich an die traditionelle japanische Dichtungsform Haiku heran und verschickte im Vorfeld Folgendes:
Die Einfriedung weicht
Zwei Herden Kühe keilen
Brunft’ges Gerangel
Barbara berichtet, sie fand sich hautnah in die Szene versetzt, die sie aus eigener Anschauung kennt. Es sei erstaunlich, welche Wirkung wenige Worte zu entfalten vermögen. Im Raum, den sie erschlossen, musste sie mehrfach lachen.Isabel wählte einen intellektuelleren Zugang zum Gedicht und bedachte die teils ungewöhnliche Wortwahl (“Einfriedung” statt “Zaun” oder “Hag”, “Brunft” statt “Brunst”).
Andreas kann mit beiden Reaktionen gut leben. Die erste entspricht seiner Wirkungsabsicht, die zweite fühlt sich an wie ein Blick über die Schultern. Er erläutert in der Folge die Hinter- und Abgründe, die in diesen Zeilen stecken. Weiter erwog er die unterschiedliche Herangehensweise an Sprache, wenn man Philosophie schreibt oder Wortkunst schmiedet.
Barbara brachte ein Bild ein von einer Fotoperformance, die letztes Jahr eigentlich als Nebenprodukt entstand, ihr aber am Herzen liegt. Sie bat uns darum, einen spontanen Satz, ein Gefühl oder einen Eindruck mit ihr zu teilen, den das Kunstwerk auslöst.
Andreas assoziierte dazu “Attachment and Detachment” (Ver- und Entbindung). Die dargestellten Gestirne verkörpern für ihn das Entrückte, Unnahbare, das sich unserem Zugriff entzieht. Im Gegensatz dazu drückt sich in Barbaras hinwendungsvollem Blick sowie in der Kabelschnur, das die Himmelskörper durchzieht, eine Form von Bindung, ja Geborgenheit aus.
Isabel sieht im das Bild das Grosse im Kleinen. Die Sterne widerspiegeln Licht und Wärme.
Barbara selber bekundet, das Hütende und Nährende zum Ausdruck bringen zu wollen. Alles hängt zusammen, wir sind verbunden mit der kosmischen Energie. Weiter klärt sie uns über die Mondhörner auf, die neben den leuchtenden Gestirnen am Boden herumliegen (das Foto wurde von oben gegen den Boden hin aufgenommen). Hörner dienen in verschiedenen Kulturen und Traditionen dazu, Energie zu bündeln.
Isabel bringt uns einen Entwurf mit, der im Zusammenhang mit ihrer ersten Auftragsarbeit entstand. Es handelt sich um eine Geburtstagskarte, die eine Blüte abbildet. Sie gibt einige Einzelheiten preis, was die Entstehungsgeschichte und ihr eigenes Verhältnis zu diesem Auftrag angeht.
Barbara und Andreas finden beiden Gefallen am Entwurf. Andreas nimmt eine Zweiteilung in der Farbkraft der Pflanze wahr. Während die untere Hälfte in einem satten Ton gehalten ist, wirken die Blütenblätter in der oberen Hälfte zärtlich, blasser und dadurch fragil. Er fragt sich, ob dies einer Geburtstagskarte angemessen ist oder vielleicht durch eine hellblaue Hintergrundfarbe aufgefangen werden könnte. Barbara ist angetan davon, dass die Pflanze sowohl eine Knospe, einen Spross wie auch eine offene Blüte aufweist. Darin zeigt sich in ihren Augen der Zyklus des Lebens. Insofern empfindet sie das gewählte Motiv äusserst stimmig als Geburtstagskarte.