ISABEL JAKOB
Am heutigen Kunstzmittag sind wir zu viert. Die Runde ist dennoch vielseitig und es ergeben sich spannende Gespräche:
Claudine berichtet von einem Flow-Moment. Im Bus zeichnete sie völlig selbstvergessen eine Doppelseite in ihrem Skizzenbuch voll. Nur die ersten Striche zeichnete sie mit bewusster Absicht, der Rest ergab sich wie von selbst. Als die Doppelseite voll ist, fühlt sie sich erholt und ist erfreut – ein Geschenk!
Andreas hatte beim letzten Kunstzmittag gefragt, was “Kill your darlings” für Kunstschaffende bedeutet. Nun teilt er einen Text zu diesem Thema mit uns:
Kill Your Darlings – Vom Versuch ein geflügeltes Wort, unfassbar flatterhaft, in die Fänge zu bekommen
Was für eine Tätigkeit ist die künstlerische, dass man “Lieblinge” ausbildet, wenn man ihr nachgeht, die man zu allem Übel abwürgen muss?
Natürlich funktioniert der Ausspruch deswegen so gut, weil er eine paradoxe Aufforderung stellt. Schliesslich ist der Glaube weit verbreitet: Was uns am Herzen liegt, verdient besonderen Schutz. Das pure Gegenteil dessen, was man leichtfertig niederstreckte. Was aber, wenn nicht jede Form der Liebe oder Zuneigung einen solchen Schutzstatus begründet? Oder anders gefragt: Was ist Liebe, was ist Anhänglichkeit, was ist Projektion, was ist Selbstverliebtheit? Gibt es Spielarten der Anziehung, vor denen wir uns besser in Acht nähmen? Wenn ja, woran erkennt man sie?
Arthur Quiller-Couch, der mutmassliche Urheber des Bonmots, benennt ausdrücklich das zweifelhafte Gefühl, ein (literarisches) Meisterwerk verfasst zu haben. Misstrauen wäre also angezeigt, wenn unsere Brust überschwänglich anschwillt.
Wohl ist der Ausspruch als Mahnung zu verstehen, und als Empfehlung, eigenen Erzeugnissen gegenüber keine allzu grosse Verbundenheit aufkommen zu lassen. Diese genügsame Enttändelung (désinvolture) zeigte sich in der rückhaltlosen Bereitschaft, seine Steckenpferde jederzeit die Böschung hinabzustürzen, sich gar von jedem Festklammern an Steckenpferden zu lösen. Darin schwingt beinahe ein buddhistischer Unterton mit, wonach genau dieses Festklammern die Quelle unseres irdischen Leidens darstellt. Indes: Gilt es Leid um jeden Preis zu vermeiden?
Die Aufopferung einer (allzu eigenwilligen?) Idee steht im Dienste des (andernfalls überfrachteten?) Werkes.
Die Zeit einer Idee, die das Zeitliche segnet, kommt vielleicht erst noch.
In diesem Sinn: Spring über die Kling’, Liebling!
Isabel zeigt eine sommerliche Spielerei, die aus den Resten von bereits für Collagen verwendeten Zeitungen entstanden ist. Was noch zur Auswahl stand, war wenig spannend: die Rätselseite! Eine Herausforderung, etwas, was optisch wenig ansprechend ist, so weiter zu bearbeiten, dass am Ende ein Bild daraus entsteht, das doch irgendwie stimmig ist. Zum ersten Mal kombiniert sie Zeichnungen mit Fineliner mit einem Bild in Mischtechnik.
Sunita teilt Videoaufnahmen zum Thema: Folding - Unfolding. Sie übt Bewegungen tief in der Leiste. Und ist auf der Suche nach dem sich ständig erneuernden Schwung, der sich daraus ergeben sollte. Es handelt sich um die Verbindung zwischen dem Somatischen und dem Technischen, also nicht nur um die Selbstbeherrschung, sondern auch um das Ausnützen der Schwerkraft. Wir sind beeindruckt von Sunitas Beweglichkeit!